Montag, 10. Oktober 2016

Back in town

Letzte Woche Donnerstag ging es für mich dann wieder in die Schule, wo die Kinder total aufgeregt zu mir kamen und mich fragten, wo ich denn die letzten Tage war. Es ist echt schön zu wissen, dass man mittlerweile auch von den Kindern als Bezugsperson gesehen wird und nicht nur das Gefühl vermittelt bekommt, eine weitere Freiwillige zu sein, die nach einem Jahr wieder verschwindet.
Am Freitag ist bei uns immer spielen (besonders beliebt ist "Hangman" auf verschiedenen Sprachen) oder basteln angesagt, sodass ich diesmal mit den Kindern Pompoms gebastelt habe. Die erste Herausforderung war es, den kleineren Kreis in der Mitte auszuschneiden, ohne den äußeren Ring durchzuschneiden, sodass die Kinder nach einer kurzen Phase der Verzweiflung zu mir kamen, mir alle ihre Schere und den Kreis hinhielten und "Madamme help me" riefen. Nachdem ich ihnen gezeigt hatte, dass sie bloß den Kreis einmal knicken brauchen, waren sie schon etwas überrascht wie einfach das geht. Als es dann daran ging die Wolle zu verteilen, wurde ich von den Kindern fast umgerannt, die alle gleichzeitig auf mich einredeten "Madamme give me", "My turn madamme" oder "Madamme please".  Die Kindern hatten einen unglaublichen Spaß daran, den Ring aus Pappe mit Wolle zu umwickeln und machten ganz schön große Augen, als am Ende ein Pompom entstand, als wir dann den Ring aus Wolle aufschnitten.
Als ich dann am Montag auf das Schulgelände kam, sah ich wie die Lehrerin der Pre-School, Madame Lucy, einen kleinen Jungen zu sich gewunken hat und ihn mit der flachen Hand auf den Kopf schlug. Instinktiv zog ich den Kopf ein und rannte zu dem Jungen, um zu sehen ob alles in Ordnung war, aber dieser zeigte gar keine Reaktion. Madame Lucy erzählte mir, dass er gespielt hatte, obwohl er einfach still an der Wand stehen sollte, während alle seine Freunde am spielen waren. Ich war vollkommen entsetzt über ihre Reaktion, und mit welcher Gleichgültigkeit sie die Situation abtat.
In meinem Klassenraum blicken mir anstatt den normalerweise ca. 11, plötzlich 20 Kinder entgegen, die ab jetzt wie selbstverständlich in meiner Klasse sind, ohne dass ich darüber informiert wurde.
Obwohl es ungewohnt laut war, da die Kinder normalerweise zumindest größtenteils leise sind und auf ihren Plätzen sitzen bleiben, haben die Kinder alle im Unterricht mitgearbeitet und die Aufgaben erledigt. Besonders schön war es, als das lernschwächste Kind meiner Klasse in Mathematik alles richtig hatte und mich dann sogar nach noch mehr Aufgaben gefragt hat. Da hat man dann doch mal das Gefühl, dass man den Kindern wirklich was beibringt.
Nicht so schön war es allerdings, als Sr Mary wie jeden Tag in die Klasse kam um nach dem Rechten zu sehen, da sie mir vor den Kindern zu verstehen gab, dass ich strenger zu ihnen sein muss (obwohl es meiner Meinung nach viel wichtiger ist, dass die Kinder überhaupt dem Unterricht folgen, als dass sie kerzengerade auf ihren Stühlen sitzen), wodurch ich mich in meiner Autorität gegenüber den Schülern schon etwas gekränkt gefühlt habe. Mittlerweile habe ich die Kinder nämlich so weit, dass sie spätestens dann leise sind und sich auf ihre Plätze setzen, wenn ich sie darum bitte, und zwar ohne ihnen mit einer Strafe zu drohen. Sr Mary schaute mich total ernst an und meinte "You have to punish them" und hob dabei ihre Hand, als ob sie jemanden schlagen wollen würde. Ich war in diesem Moment schon etwas überfordert, vor allem, als sie dann noch vier Kinder mitnahm und sagte "They are too noisy I have to punish them myself". Ich wusste echt nicht was ich machen sollte. Sollte ich eingreifen und sagen, dass die Kinder doch gar nichts getan haben? Aber ich wusste genauso gut, dass ich ihre Autorität nicht in Frage stellen durfte, und ließ die Kinder mit einem dicken Kloß im Hals mit ihr gehen. Ob sie die Kinder wirklich geschlagen hat weiß ich nicht, aber ich hoffe einfach das beste.
Ansonsten wird es hier mit jedem Tag wärmer und ich flüchte immer wieder ins Office, weil es dort so schön kühl ist. Meine Mückenstiche und somit die Malariagefahr nehmen immer mehr zu, aber ich drück einfach mal die Daumen, dass ich so lang wie möglich verschont bleibe.
Ich lass, sobald es was neues zu berichten gibt, wieder von mir hören!

1 Kommentar:

  1. Meine liebe Hannah,
    Diese Art der Erfahrungen ist sicherlich erschreckend und lässt einen hilflos erscheinen.
    Aber durch dein Verhalten zeigst du den Kindern doch schon, dass es auch andere Wege des Umgangs miteinander gibt. Und wenn es nur diese eine andere Erfahrung ist, mit welcher du sicherlich nicht die Kultur veränderst, gibst du den Kindern die Chance die Welt ein wenig anders zu sehen als bisher.
    Dein Beitrag ist größer, als du vermutest!

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